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Interview mit Etsy-Chefin Caroline Drucker

Die 32-jährige Kanadierin Caroline Drucker ist Boss von Etsy Deutschland und eine der coolsten Frauen der Hauptstadt. Mit FLAIR sprach sie über die Lust die Lust am Do-it-yourself, den Frauenmangel in der Onlinebranche und Emanzipation.

von Roxana Wellbrock (Interview)

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Fotocredit: Jonas Lindstroem

Do-it-yourself boomt. Warum ist das so ein Riesentrend?

Es ermöglicht uns, einen direkten Bezug zu unserer Welt zu finden, in der alles so abstrakt, so weit weg ist. Näht oder strickt man selbst, schlüpft man mit einem ganz anderen Gefühl in einen Mantel: mit Respekt. Denn man weiß, wie viel Arbeit darin steckt. Etwas selbst zu fertigen, macht obendrauf auch einfach Spaß!


Und kann offenbar auch lukrativ sein: Einige Ihrer Verkäufer verdienen sogar schon ihren Lebensunterhalt, indem sie ihre selbst gemachten Produkte über Etsy verkaufen.

Ich finde es toll, dass das funktioniert! Es gibt so viele arbeitslose Menschen, gerade für sie ist es eine tolle Möglichkeit, Geld zu verdienen. Bei uns sind es vor allem Frauen, die als Hobbynäherinnen anfangen und schon nach kurzer Zeit  Unternehmerinnen sind.

Stimmt es eigentlich, dass Sie selbst stricken?

Meine Oma hat mit stricken beigebracht, meine Mutter nähen. Irgendwann war ich an dem Punkt, an dem ich mich gefragt habe: Wie viel Stunden, Tage habe ich eigentlich schon mit Handyspielen verplempert? Ich wollte in der Zeit lieber etwas Produktives machen und habe wieder mit Handarbeiten angefangen.

An was sitzen Sie gerade?

An meinem Langzeitprojekt: Ich nähe ein leuchtend blau gemustertes Cock- tailkleid im Vivienne-Westwood-Style. Echt schwer, aber ich werde es sicher bald schaffen!


Sie scheinen generell ziemlich ehrgeizig zu sein: Mit 32 sind Sie schon Country Manager bei Etsy Deutschland, davor haben Sie schon einige erfolgreiche Online-Projekte betreut. Gab es bei Ihnen in den letzten Jahren auch mal Stillstand?

Nicht wirklich, aber mir haben meine Jobs immer Spaß gemacht. Vor allem, weil es  immer ein Problem gab, das wir lösen mussten. Bei „Der Freitag“ war es die Frage, was Demokratisierung im Internet bedeutet. Bei „Soundcloud“ die die Überlegung, wie man Klänge online gestaltet. Und bei Etsy geht es darum, Menschen zu helfen, sich ein kleines Geschäft aufzubauen. Meine Laufbahn war aber nicht so geplant!

Was hatten Sie eigentlich vor?

Ich habe Architekturtheorie und Deutsch studiert und wollte in Berlin meinen Master machen. Mein Ziel: Den Rest meines Lebens als Professorin in staubigen Bibliotheken verbringen! Aber an der Uni wurde gestreikt, ich habe ein Praktikum bei einem Musiklabel gemacht und einfach nicht mehr aufgehört zu arbeiten.


Heute sind Sie eine der wenigen Frauen in der Internetbranche, dazu immer toll gestylt. Fühlen Sie sich unter den Nerds als Außenseiterin?


Auf keinen Fall. Gerade unter uns Frauen gibt es einen großen Zusammenhalt, und ich bin froh, dass ich in dieser Branche gelandet bin.


Warum gibt es im Online-Business eigentlich nur so wenig Frauen?


Viele Mädchen können kein Mathe oder glauben zumindest, es nicht zu können. Sie  trauen sich dann nicht an ein technisches Studium. Und die wenigen Frauen, die eine solche Ausbildung haben, werden quasi aus den technischen Berufen rausgesaugt in die Marketing- und Personalabteilung. Wegen ihrer guten sozialen Skills.


In Ihrer Rede „How to Get More Women in Tech in Under a Minute“ ärgern Sie sich über das Wort „Girl“. Wo genau sehen Sie da das Problem?

In unserer Branche wird immer von „Girls“, nie von „Women“ gesprochen. Aber wir sind keine Mädchen, wir sind Frauen! Viele fühlen sich unwohl, wenn sie das so  kommunizieren, sie sagen: Ich habe nicht genug geleistet, um mich als Frau zu bezeichnen. Damit schwingt oft die Angst mit, dass eine starke Frau gleich als Hexe abgestempelt wird. Ich wünsche mir, dass wir Frauen uns bewusst werden, dass die Art, wie wir sprechen, zeigt, wie wir die Welt sehen. Und dass es für Frauen keinen Grund gibt, immer nett und freundlich zu sein.

13.02.2013