Karoline Herfurth im Interview
Karoline Herfurth ist das neue Gesicht von Jil Sander und öffnet für FLAIR sogar ihr Badezimmer – Im Interview zeigt sie, dass sie sich nicht nur mit Parfums und Nagellack auskennt und spricht darüber, wie ihr Studium ihre Arbeit als Schauspielerin und ihre Auffassung von Schönheit beeinflusst. Keine Sorge: Den obligatorischen Beauty-Tipp verrät sie ebenfalls.
"Jeder sollte Schönheit selbst definieren!"
Wie ist das, wenn Sie ihr Gesicht in der Jil Sander Werbung sehen?
In einer Anzeige geht es ja generell um einen Lebensstil und mir geht es ganz stark darum, dass der mit meinem übereinstimmt. Was ich ganz schön finde: Das Bild hat etwas Verletzliches, Zartes, das mit einer inneren Stärke einhergeht, es zeigt Selbstbewußtsein. Bei dieser Kampagne konnte ich echt sein.
Was meinen Sie mit „echt“, zeigt das Bild das wahre Gesicht der Karoline Herfurth?
"Echt" ist natürlich ein schwieriger Begriff, aber das was ich am wenigsten anstrebe und mag ist Selbstdarstellung oder Selbstinszenierung.
Sie sind eine öffentliche Person, da spielt Selbstinzenierung unweigerlich eine Rolle.
Natürlich geht es um die öffentliche Karoline Herfurth, aber ich bin ein Mensch der keinen großen Unterschied macht von öffentlicher Rolle zur privaten...ich suche immer nach Wahrhaftigkeit und das repräsentiert diese Anzeige. Sie zeigt eine nackte Frau, der man scheinbar in die Seele schaut, die aber trotzdem nicht alles direkt offenbart, sondern ein Geheimnis bleibt. Sie ist niemand, der sich darstellen muss, sondern jemand, der sich entdecken lässt. Und der sich nicht jedem hingibt, sondern sich aussucht, mit wem er in Kontakt tritt. Es geht nicht darum, für einen Mann etwas zu sein, sondern sich selbst zu bestimmen. Das ist ein sehr viel interessanteres Bild von Weiblichkeit.
Wo nehmen Sie diese innere Gewißheit her?
(lacht) Ich würde nicht sagen, dass ich komplett fertig bin mit meiner inneren Stärke. Aber es ist etwas, das ich anstrebe. Frauen, die selbstverständlich in sich ruhenden sind meine Idole.
Zum Beispiel?
Jil Sander ist eine solche Frau oder Cate Blanchett...Generell bewundere ich Frauen, bei denen man das Gefühl hat, es geht darum, mit sich selbst zufrieden zu sein und nicht, andere zufrieden zu machen. Je mehr man in sich selbst ruht, desto mehr kann man andere Menschen sein lassen wie sie sind und ihnen Platz und Raum geben, desto weniger drängt man sich in den Vordergrund.
Ist man als erfolgreiche Schauspielerin nicht automatisch im Vordergrund?
Ich bin zu einer realistischen Wahrnehmung erzogen. Meine Familie und meine Lebenserfahrung sorgen dafür, dass ich bodenständig bleibe. Meine Mutter war mir immer ein Vorbild, sie hat mir mit auf den Weg gegeben, dass man mit sich im Reinen sein sollte und dass man den Weg sucht, der einen selbst befriedigt. Ohne dabei egoistisch zu werden.
Und auf ihrem Weg lag nun auch noch das Soziologie-Studium.
Mein Studiengang nennt sich Sozialwissenschaften und behandelt Politik und Gesellschaft als Wissenschaft. Das finde ich unglaublich spannend, weil man sich mit Normen und sozialem Handeln auseinandersetzt, mit Prozessen der Veränderung innerhalb einer Gesellschaft. Für mich ist das eine Suche nach Echtheit, denn wenn man sich die gesellschaftliche Norm unter wissenschaftlichen Aspekten anguckt, dann kann man sie nicht mehr als selbstverständlich empfinden. Sie ist ein kulturelles Konzept, das sich von Zeit zu Zeit ändert. Plötzlich merkt man, dass alles was einen ausmacht, eine mehr oder minder gesellschaftliche Prägung ist.
Was hat diese Erkenntnis für Sie persönlich für Konsequenzen?
Jeder ist ein Kind der Gesellschaft, in der er aufwächst, die ihn sozialisiert und die ihre Überzeugungen auf ihn überträgt. Ob und wie ich mich noch selbst entscheiden und frei bewegen kann, ist ein riesiges Studien-Feld. Aber wenn man das erstmal weiß, kann man darauf Einfluß nehmen, wie sehr man sich prägen läßt. Das macht einen in der Persönlichkeitsentfaltung beweglich. Sehr spannend!
Psychologie hätte Sie nicht interessiert?
Psychologie ist mir zu sehr fokussiert auf den einzelnen Menschen. Ich finde die gesellschaftliche Konstruktion spannender. Psychologie spielt da natürlich teilweise mit rein, genau wie Philosophie und Erziehungswissenschaften. Aber ich will nicht nur den Menschen begreifen, sondern wie ein Mensch geprägt wird durch seine Gesellschaft – und wie er sie seinerseits prägen kann.
Was war die erstaunlichste Erkenntnis, die Sie dabei gewonnen haben?
Dass selbst Empfindungen eine erlernte Reaktion sind. Es gibt dafür einen gesellschaftlichen Code. Etwa, wenn die gesellschaftiche Norm verlangt, in einer bestimmten Situation mit Eifersucht oder Neid zu reagieren. Das kann ich nun hinterfragen: Bin ich wirklich neidisch oder muß ich einfach neidisch sein? Wie sehr sind meine Empfindungen wirklich eigene Empfindungen? Es ist ein Studium, das die Sicht auf die Welt komplett verändern kann, das einen bis in die tiefsten Tiefen bewegt, deformiert oder umstrukturiert. Es ist eine große Aufgabe, sich selbst zu definieren und Verantwortung für seine Persönlichkeit zu übernehmen, sich selber zu entscheiden, wer man sein will.
Persönlichkeit hin oder her, in unserer Gesellschaft ist Schönheit ein Maßstab und eine Währung – wie gehen Sie damit um?
Schönheit, wie sie in den Medien dargestellt wird, ist ein Ideal, dem die Mehrheit der Menschen nicht entspricht. Den Stress, den sich viele damit machen, finde ich furchtbar. Jeder sollte Schönheit für sich selbst definieren und sich von der Photoshop-Realität freimachen.
Aber Sie werden ständig fotografiert, die vielleicht nicht ganz so vorteilhaften Fotos landen im Internet, verbreiten sich rasend schnell. Berührt Sie das nicht?
Das Internet verändert definitiv meine Einstellung zu meinem Beruf. Alles was ich tue, sage, trage ist vermerkt für die Ewigkeit. Ich kann mich nicht mehr frei bewegen, muss mich viel mehr auf die öffentliche Rolle einstellen und meinen privaten Raum sehr viel stärker schützen. Das verändert meinen Umgang mit der Öffentlichkeit komplett.
Schlußfolgerung: wenn Sie aus der Tür in die Öffentlichkeit treten, sind Sie nicht mehr Sie selbst.
Jeder der aus seiner privaten Zone vor Tür tritt, nimmt eine andere Rolle ein, Sie auch...
Mag sein, aber ich werde dabei nicht fotografiert
Das ist richtig, aber zum Glück wird mein privater Bereich in Deutschland stark respektiert, was ich total befreiend finde. Das Leben, das Celebrities in Großbritannien oder in Amerika haben, würde ich nicht führen können und wollen. In Deutschland kann man der Presse vermitteln, dass man sein Privatleben schützen möchte, und das wird von erstzunehmenden und professionellen Medien respektiert. Zwischen einer öffentlichen Person und der Presse besteht ein Geben und Nehmen. Und wenn ich weiß, ich kann den Medien vertrauen, dann werden sich andere Gespräche ergeben, als wenn ich die ganze Zeit auf der Hut sein muss.
Wie wirkt sich ihr Studium auf ihre Arbeit aus?
Als Schauspielerin stelle ich stets eine Figur dar und neuerdings stelle ich mir die Frage: Wie sehr kann ich diese Figur beeinflussen? Was passiert mit der Figur, wenn Karoline Herfurth sie darstellt und nicht jemand anders?
Dafür haben Sie ja gerade beste Vergleichsmöglichkeiten, denn Sie arbeiten am Remake des französischem Films „Liebe und Intrigen“ mit Regisseur Brian De Palma. Wie ist das, man wenn einen Film dreht, den es schon gibt?
Ich habe das Vorbild bewußt nicht gesehen. Aber egal welchen Film ich mache, ich schaue mir als Vorbereitung grundsätzlich Filme aus dem gleichen Genre an, um zu sehen, wie bestimmte Aufgaben schauspielerisch gelöst wurden. Aber wenn es um konkrete Rollenbilder geht, möchte ich unbeeinflusst sein.
Zum Abschluß: Haben Sie einen ultimativen Schönheitstip?
Das Wichtigste ist Schlaf! Ich habe eine Matratze gehabt und mich nach 12 Stunden immer noch gerädert gefühlt. Jetzt habe ich mir eine von Tempur gekauft, die paßt sich dem Körper komplett an, du hast das Gefühl, du wirst schwerelos! Die beste Investition! Genauso wie täglich Sonnencreme zu benutzen. Außerdem habe ich ein tolles Shampoo entdeckt, Bamboo von Alterna, ohne Parabene, Sulfate, damit fühlen sich meine ausgemergelten Haare, die seit Jahren gefärbt werden wieder an wie Haare.
Sie färben seit Jahren die Haare?
Ja, seit ich 15 bin, immer so wie es für den Film gerade paßt (lacht). Seit ich Schauspielerin bin, gehören mir meine Haare nicht mehr. Dabei würde ich mir wahnsinnig wünschen mal wieder meine eigene Farbe wieder zu sehen...Berliner Straßenköterblond mit Rot-Stich!
Das Interview führte Kirstin Bock.
FLAIR-Tipp
In der Septemberausgabe von FLAIR fashion&home zeigt Karoline Herfurth ihr Badezimmer und verrät ihre Beautysecrets.